Ich übertrete die magische Schwelle und trete ein in die Zauberwelt des Waldes…
Die Bäume stehen in respektvollem Abstand zu einander… der moosüberwachsene Waldboden nimmt meine Schritte unendlich sanft auf…ich fühle mich willkommen…ich spüre, hier ist Raum für mich, zu atmen, mich aus zu dehnen, mich zu spüren….
Ich gebe mich meinem inneren Drängen hin, das Moos zu meinen Füßen zu berühren, feucht… sattgrün, unendlich weich….ich genieße die Berührung, tauche in sie ein, nehme sie über meine Hände in mich auf. Geben und empfangen…im Niederknien zur Erde verneigt sich gleichsam mein ganzes Wesen in Hingabe vor diesem Wunder…Staunen…unendliche Dankbarkeit…Gnade.
Ich gehe weiter…atme…schaue…berühre…Der Wald lädt mich ein, schenkt sich mir, ihn zu entdecken, ihm zu lauschen…mich zu verbinden… ich empfange……
Nicht weit entfernt lockt eine Lichtung hinter den hochaufgewachsenen Tannenstämmen….sonnenstrahlendurchflutet…
Warmgolden…vibrierend…fallen lange, breite Lichtstreifen auf den moosig grünen Waldboden.
Ich werde mir einer Art Korridor zwischen den Bäumen gewahr. Dies ist mein Weg.
Ich gehe achtsam weiter, streiche genussvoll über Teile einer Wurzel, die aus der Erde herausschaut, glattgeschliffen, geschwungen…ich nehme über ihre Form und Oberfläche Kontakt mit ihr auf, erkunde…massiere….die Berührung schmeichelt meiner Hand…und erquickt meine Seele.
Schritt für Schritt…. Staunen über die Vielfalt der Moosgewächse …winzige Pilzköpfe…ein Stück raue gebogene Rinde -wie hineingesteckt- in einen Teppich vertrockneter Tannennadeln…ich befühle sie…bin ganz da…ganz eins mit all diesem Zauber…ich empfange: Alle Ausdrucksformen des Lebens sind eingebettet in diese grenzenlose Liebe der Schöpfung.
Ich gehe inmitten meines Baumkorridors…taste…schaue…streichle immer und immer wieder das saftig grüne und feuchte Moos…rieche daran. Es duftet leicht moschusartig…und nach Regen.
Bei jedem neuen Aufrichten, fokussiere ich mich neu auf den Weg. Nur wenige Schritte trennen mich noch von der Lichtung. Ich drehe mich um. Schaue zurück.
Es trifft mich ganz unvermittelt und ernüchternd….wo ist die Lebendigkeit hin? Im Blick zurück ist der Wald plötzlich viel schattiger, dunkler… die gerade noch so vollkommen präsente Lebensenergie scheint aus ihm entwichen zu sein.
Die, die mich gerade noch umarmten in pulsierender Freude und Verbundenheit, sind mit einem Wimpernschlag zu stummen Zeugen der Vergangenheit geworden…
Friedhofstimmung… Starre…. Kühle…..Ernsthaftigkeit….
Ich erkenne in der würdevollen Aufstellung der Baumgestalten meine Ahnen wieder. Ich werde mir der Endlichkeit des Lebens gewahr. „Wir haben unseren Teil getan. Haben getan, was wir konnten in der Zeit, die uns gegeben wurde. Aber eines Jeden Zeit geht unwiderruflich vorbei“, raunen sie, „so lautet das ewige Gesetz des Lebens und Sterbens.„
Sie mahnen mich, meinen Weg zu gehen. Sie sind ernst. „Es kommt ganz dringend auf dich an, so lange du hier bist. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Alles, was du mitbrachtest, fließt wieder in die Erde zurück. Die Erinnerung an dich verblasst. Die Wärme und Liebe, die durch dich -als DU- in die Welt gebracht wurde, fließt wieder in die ewige Quelle zurück. Und von dir bleibt nicht mehr als eine verwitterte Fotografie, ein Grabstein…Staub…Erde. Schau uns an….“
Ich fühle Beklommenheit. Gerade eben war es doch noch so schön…..
Ich frage, ob es noch etwas gibt, was ich wissen muss …ich lausche…aber der Wald bleibt stumm.
So verneige ich mich schließlich vor ihnen… im Vertrauen, dass ihre ernste Botschaft nahrhafter Humus für meine Wurzeln sein darf.
Dann wende ich mich wieder meinem lockenden leuchtenden Weg zu und betrete nach wenigen Schritten die Lichtung.
~ Claudia@womanessence
Bild: Karl Hirning
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