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Als der Himmel noch in der Erde ruhte

Am Anfang war Erde.
Kein Oben. Kein Unten.
Nur Tiefe.
Nur Weite.
Nur Dunkel, das nichts fürchtete.

Gaia atmete in sich selbst.
Ohne Grenzen.
Ohne Namen.
Sie war nicht still –
sie war vor dem Klang.

In ihrem Leib ruhte alles:
Die Meere,
die Winde,
die Titanen,
die Liebe,
der Himmel.

Und der Himmel war nur ein Gedanke.
Ein warmer, weiter Impuls.
Noch ungeboren.
Noch geborgen.

Doch in Gaia regte sich das Sehnen.
Nach Ausdehnung.
Nach Form.
Nach einem Du.

Sie presste ihn nicht hinaus.
Sie gebar ihn nicht in Schmerz.
Sie hob ihn hervor,
wie ein Kind ein Wort.
Uranos.

Er stieg auf –
und vergaß, woher er kam.
Er legte sich über Gaia,
wie ein Mantel aus Licht.
Doch er deckte alles zu.
Zu eng. Zu viel. Zu sehr.

Ihre Kinder blieben in ihr.
Ungeboren.
Ungehört.
Unerlaubt.

Da sprach Gaia.
Nicht laut.
Nicht zornig.
Sondern still.
Und aus ihrer Stille wurde Wille.

Sie rief Kronos.
Den Jungen mit den scharfen Augen.
Den mit der Sichel aus Stein.

Er kam.
Er sah.
Er trennte.

Ein Schnitt.
Ein Aufschrei.
Ein Regen aus Sternen und Blut.

Uranos stieg hinauf.
Der erste Himmel.
Der erste Schmerz.
Die erste Geschichte.

Und Gaia blieb.
Nicht gebrochen.
Nicht leer.
Sondern weit.

Die Kinder atmeten.
Die Welt begann.

~ Womanessence

Bild: CC0