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Claudia Taverna

„Geliebte Klara“


claudia mel

Der letzte Brief von Franz von Assisi an seine Freundin Klara.

Franz von Assisi schreibt am Ende seines Lebens einen langen Brief an seine geliebte Klara und beschreibt, wie seine große Liebe zu ihr mit seiner Liebe zu Gott verbunden ist. Die Liebe in dem größten Rahmen gesehen, den es gibt.

Geliebte Klara,

als ich in Ägypten war und darauf wartete, von dem Sultan Al-Kamil vorgeladen zu werden, schickte man eine junge wunderschöne Frau zu mir. Sie sollte oder wollte sich mir hingeben .
Vielleicht wollten mich die Sarazenen prüfen oder gar versuchen oder erfreuen. Ich weiß es nicht.

Als die junge Frau sich zu mir setzte, wich ich nicht zurück.
Ich traute mir und mußte vor mir keine Angst haben und darum brauchte ich vor ihr keine Angst zu haben.

Weil wir nicht diesselbe Sprache sprachen, konnten wir nicht miteinander reden.
Ich aber redete trotzdem und segnete Sie.
Als ich das auch mit der Sprache meines Körpers tat, indem ich meine Arme ausbreitete, berührte ich Sie; und sofort wollte Sie sich ausziehen um für mich da zu sein.

Ich gebot Ihr Einhalt.

Erst schien Sie erschrocken zu sein, als meinte ich, Sie wäre nicht schön genug. Vielleicht hatte Sie auch Angst, daß ich Sie schlechtmachen würde bei denen , die Sie geschickt hatten.
Ich versuchte Ihr deutlich zu machen, daß ich Ihr Herz liebte und darum nicht Ihren Körper brauchte.
Sie beruhigte sich, schien aber unzufrieden zu sein.

Dann saßen wir lange nebeneinander .

Einer Eingebung folgend wandte ich mich Ihr plötzlich zu und legte meine Hand auf eine Ihrer Brüste, so vorsichtig ich konnte.
Ich tat es ohne nachzudenken, nur von innen geleitet.
Es war für mich selbst eine Überraschung , daß ich es tat.
Ich spürte Sie und sah Sie an.

Gott war in meiner Hand – vielleicht mehr als in den Worten meiner Predigten.
Gott floß durch meine Hand hindurch. Durch mich kam Gott zu einem Menschen und durch Gott kam Mensch zu Mensch.

Es war, als taute etwas in dieser Sarazenin auf.
Mit Ihren Augen schien Sie noch einmal zurückzugehn zu unseren Bewegungen und zu meinen Worten der letzten Augenblicke. Jetzt schien Sie zu verstehn, wie ich Sie sah und legte ihre Hand auf meine und neigte sich mir zu. So verharrten wir lange .
Der Friede Gottes durchzog uns. Der Körper wurde geehrt und der Geist kam dazu und staunte über die Einheit.

Noch ein paar Jahre früher wäre ich dazu unfähig gewesen. Ich hätte Angst vor soviel
Nähe zu einer fremden Frau gehabt. Ich hätte mich vor Ihr schützen müssen.

Erst später habe ich verstanden , daß ich dadurch , daß ich meine Hand auf Ihre Brust legte , ihr Frausein segnete. In meiner Hand war nicht Begehren, sondern Liebe , auch Liebe für Ihren Körper .

Da begann Sie zuerst leise zu weinen .
Ihre Tränen flossen und ich spürte , daß Sie sich selbst lieben durfte, ohne damit gleich eine Versuchung für einen Mann zu sein.
Dann schluchzte Sie heftiger und es schien, als flösse Sie mit Ihren Tränen davon – zu mir hin und gleichzeitig zu sich selbst .

In dieser Bewegung war Gott .

Wenn wir zu uns finden , indem wir loslassen, öffnen wir uns Gott auf eine unsägliche Weise .

Als ich Ihr am nächsten Tag begegnete und wir uns grüßten,
da gab es ein stilles Einvernehmen zwischen uns,
weil wir beide die Würde des Menschen erlebt hatten.

~ Ulrich Schaffer, aus dem Buch  Geliebte Klara

Bild: Claudia Mel E

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